Erstmals erkennt ein Gericht das „Windturbinensyndrom“ als Krankheitsursache an

Frankreich, Toulouse, 8. Juli 2021: Am „Cour d´appel de Toulouse“, einem französischen Berufungsgericht, ergeht ein obergerichtliches und weitreichendes Urteil. Es hat den Klägern, die in der Nähe von sechs Windenergieanlagen wohnen, Recht gegeben und anerkannt, dass der Betrieb von Windenergieanlagen gesundheitsschädliche Auswirkungen hat. Die Anlagen befinden sich in 700 bis 1.300 Meter Entfernung vom Haus der Kläger.

Die Urteilsbegründung wurde vor wenigen Tagen veröffentlicht. Das Berufungsgericht begründet seine Entscheidung damit, dass die Kläger unter dem auf tieffrequenten Schall und Infraschall zurückzuführenden sogenannten Windturbinensyndrom leiden. Die Betreiber der Anlagen müssen der betroffenen Familie Fockaert anteilig den Wertverlust ihrer Immobilie, entgangene Mieteinnahmen der Ferienwohnung und Schmerzensgeld bezahlen. In Summe beträgt der Schadensersatzanspruch 128.000 Euro.

Das Gericht hat mit diesem Urteil die im Zusammenhang mit Windenergieanlagen als typisch geltenden Symptome festgestellt: Kopfschmerzen, schmerzhafter Druck auf den Ohren, Tinnitus, Schwindel, Schlafstörungen, Müdigkeit, Herzrasen, Übelkeit, Nasenbluten.

„Das Leben hier war unerträglich geworden. Die ersten Symptome traten nicht sofort auf“, berichtet Familie Fockaert. Das Urteil erkennt die von den Anlagen ausgehenden Lärmbelästigungen und visuellen Beeinträchtigungen als gesundheitsschädlich sowie als Störung der Nachbarschaft an.

Die Windenergieanlagen, die zu diesem Urteil geführt haben, sind vergleichsweise klein: Sie haben eine Gesamthöhe von 93 Metern (58 Meter Nabenhöhe plus 35 Meter Rotorlänge), die Leistung liegt bei 2,3 MW je Anlage. Die in Süddeutschland errichteten Anlagen haben mittlerweile eine Gesamthöhe von 250 Metern bei einer Leistung von bis zu 6 MW.

Die französischen Anlagen stehen auf einem Höhenzug auf 1.000 Meter Höhe, das Haus der Familie Fockaert liegt etwas tiefer auf 850 Meter.

Die Karlsruher Kanzlei Caemmerer Lenz hat das französische Urteil hier analysiert und eingeordnet. Das Urteil hat in Deutschland keine rechtliche Bindungswirkung, dennoch dürfte es in der zukünftigen Rechtssprechung eine Rolle spielen und die Position der Geschädigten stärken.

„Die von uns seit Jahren geäußerten Bedenken über die von Windenergieanlagen ausgehenden Gesundheitsgefahren werden durch dieses Urteil vollumfänglich bestätigt“, so die Mitglieder der Baden-Badener Bürgerinitiative Windkraftfreies Grobbachtal.

Windkraftanlagen können gesundheitsschädlich sein, Betreiber im Tarn verurteilt

Dies ist ein Präzedenzfall in Frankreich: Das Berufungsgericht von Toulouse erkennt an, dass Windenergieanlagen in der Nähe eines Hauses in einem Dorf im Tarn am Rande des Hérault gesundheitsschädlich sind. Der Betreiber wurde angewiesen, die Anwohner mit bis zu 128.000 Euro zu entschädigen.

„Sie können sich überhaupt nicht vorstellen, wie groß unsere Erleichterung ist. Unsere Freude ist immens. Unser Leiden wurde endlich anerkannt, nach vielen Jahren juristischer Auseinandersetzung.“ Christel und Luc Fockaert können kaum glauben, was ihnen vor sechs Jahren noch unmöglich schien. Gerade hat das belgische Ehepaar das Berufungsverfahren gegen die Betreiber eines Windparks gewonnen, welcher auf den Höhen von Fontrieu im Naturpark Haut Languedoc errichtet wurde.

 

Windkraftanlagen schaden Anwohnern

Die von den Anlagen ausgehenden Lärmstörungen und visuellen Beeinträchtigungen stellen eine Belästigung der Nachbarschaft dar, haben aber auch gesundheitsschädliche Auswirkungen. So lautet das Urteil des Berufungsgerichts von Toulouse vom 8. Juli 2021, das kürzlich veröffentlicht wurde. Das Leiden und die Wertminderung des Hauses der Familie Fockaert wurden im Berufungsverfahren anerkannt, was in erster Instanz nicht der Fall war. „Dies ist beispiellos in Frankreich“, spezifiziert Alice Terrasse, die Anwältin der Kläger.

Die Windkraftanlagen wurden 2008 auf den Höhen von Fontrieu auf kommunalem Grund errichtet. Vom Dorf aus sind die Anlagen nicht sichtbar, aber der Lärm ist je nach Ausrichtung des vorherrschenden Windes (aus Nordwesten) und je nach Drehzahl/Leistung der Anlagen für die nächsten Anwohner wahrnehmbar. Das weiße Licht, das Tag und Nacht infolge einer technischen Störung aggressiv leuchtete, wurde 2015 durch rotes Licht ersetzt, also sieben Jahre nach der Inbetriebnahme.

„Wir haben Stunden damit verbracht, einen Techniker zu erreichen. Niemand hat geantwortet. Wir waren unserem Schicksal überlassen“, erklären sie. Die nächstgelegene Windkraftanlage liegt 700 Meter von ihrem Wohnort entfernt.

Im Jahr 2015 entschieden sich die Kläger, das 2004 gekaufte Bauernhaus zu verlassen. Das Haus war renoviert und teilweise in eine Herberge umgewandelt worden. „Das Leben hier war unerträglich geworden. Die ersten Symptome traten nicht sofort auf“, erzählen Christel und Luc.

 

Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit, Tinnitus, Herzrasen, Bewusstlosigkeit

In erster Instanz wurde das Ehepaar Anfang 2020 vom Gericht Castres abgewiesen. Christel und Luc forderten 350.000 Euro Schadensersatz. Die Richter erkannten damals zwar eine Lärmbelästigung an, aber keine abnormal große. Das Berufungsgericht von Toulouse liest die erstellten Gutachten anders: Es erkennt die Existenz des Windturbinensyndroms an, das zu einer Veränderung des Gesundheitszustandes führt, welcher übrigens von der WHO als ein Zustand des körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens definiert wird.

Kopfschmerzen, Übelkeit, Nasenbluten oder gar Schlafstörungen: Die Liste der Symptome in Verbindung mit Windkraftanlagen ist laut Anwohnern lang. Das Windturbinensyndrom ist eine Krankheit, die nicht als solche erkannt wird, aber Menschen betrifft, die in der Nähe leben. In Frankreich ist der Abstand zwischen Häusern und Windenergieanlagen auf 500 Meter festgelegt.

 

Das Windturbinensyndrom betrifft immer mehr Menschen, die in der Nähe von Windkraftanlagen leben

Der regionale Naturpark Haut Languedoc ist der am stärksten von Windindustrieanlagen betroffene Park in Okzitanien. 300 Windkraftanlagen sind genehmigt, 80 % der Anlagen sind bereits errichtet. Die Präfekten von Hérault und Tarn setzen sich dafür ein, dass die Schwelle nicht überschritten wird, versichert Emmanuel Forichon, Vertreter des Zusammenschlusses „Toutes nos Energies“ im Tarn, welches gegen die Verbreitung der Windindustrie in ländlichen Gebieten ist.

„Die öffentlichen Behörden müssen sich dieser Sache wirklich bewusst werden. Sie können nicht immer leugnen. Windenergieanlagen sind eine Quelle von Lärm und visueller Belästigung. Und heute hat das Gericht bestätigt, dass sie Auswirkungen auf die Gesundheit haben.“

Die Betreiber des Windparks werden die Anwohner mit bis zu 110.000 Euro (Schadensersatz und Kostenerstattungen) entschädigen müssen. Sie hatten bis zum 8. Oktober Zeit, um Berufung einzulegen. Dies würden sie nicht tun, versichern die Kläger.

Für die Gemeinden sind die Windkraftanlagen ein finanzieller Glücksfall: Die sechs Windräder von Fontrieu bringen der Gemeindekasse jährlich 100.000 Euro ein.

FranceBleu, 3.11.21