Energiewende aktuell 1/23: Zahlen und Zusammenhänge zur Energiepolitik
Aktuelle Informationen zur Energiewende aus dem Newsletter der Bundesinitiative Vernunftkraft, zusammengestellt von Dr. Christoph Canne aus dem Redaktionsteam Wirtschaft.
Danke, dass wir diese interessanten und wichtigen Informationen auch den Besuchern unserer Website zugänglich machen dürfen.
Energiewende aktuell… 1/2023
Die Entwicklung der deutschen Energiepolitik seit der Jahrtausendwende lässt gerade ausländische Beobachter oft ratlos zurück. Von dem Glauben beseelt, dass die Kombination von Solar- und Windenergie sowie Backup-Gaskraftwerken eine zukunftsfähige Lösung darstellen könnte, machten sich deutsche Politiker ans Werk und investierten bisher knapp 500 Mrd. € in die sog. Energiewende in Deutschland. Siehe dazu: Kosten der Energiewende: Wie teuer sind EEG-Umlage & Co? (tech-for-future.de)
Zwei Zeitpunkte sind in dieser Entwicklung besonders markant: Der erste Punkt war das Tsunami-Unglück von Fukushima, das Bundeskanzlerin Merkel über Nacht davon überzeugte, dass man die Kernkraft einstellen und den Ausbau der Erneuerbaren forcieren müsse. Der zweite Punkt war der russische Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022.
Die russischen Panzer schlugen auch mit voller Wucht auf die Achillesferse der deutschen Energiepolitik – nämlich der resultierenden Abhängigkeit von Gaskraftwerken, wenn man aus Atom- und Kohlekraftwerken aussteigen möchte. Noch wenige Wochen vor dem russischen Angriff bekräftigte die Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag, dass man sowohl die Erneuerbare Erzeugung als auch die Gasverstromung massiv ausbauen möchte – diesem Plan machte dann aber leider der Kreml einen dicken Strich durch die Rechnung.
Deutschland steht seitdem ohne „Plan B“ da und die Ampelregierung entscheidet sich zum Entsetzen der Nachbarländer zum Verharren im Irrtum: Während inzwischen fast alle europäischen Länder in die Kernenergie einsteigen oder diese ausbauen, hält Deutschland weiter am Anti-Kernkraft-Kurs der Grünen fest und sucht hektisch zur Deckung der zu erwartenden Stromengpässe nach reaktivierbaren Kohlekraftwerken oder sogar nach Ölkraftwerksschiffen, die normalerweise ihre Verwendung in Entwicklungsländern finden. Wir haben in unserem 6. Rundbrief dargelegt, dass mit dieser Weichensetzung die Stromversorgung im Winter 23/24 prekär werden wird.
Wer jedoch Strom, Gas oder Kohle über die Spotmärkte bezog, war mit heftigen Preisschwankungen konfrontiert. Dies gilt vor allem aus zwei Gründen für Deutschland – zum einen sind wir über unsere Grundstoffindustrie schon immer in besonderer Weise rohstoffabhängig gewesen, zum zweiten haben wir eine Bundesregierung, die sich schwer damit tut, gerade im Gasmarkt langfristige Verträge zu sichern.
Der Grund hierfür ist in der grünen Philosophie zu suchen, die Deutschland bis zum Jahr 2045 komplett dekarbonisiert sehen möchte und von daher langfristige Verträge ablehnt. Diese Philosophie hat dann auch dazu geführt, dass wir im Jahr 2022 unseren Gasbedarf zu horrenden Preisen auf dem Spotmarkt eindecken mussten und Bundesminister Habeck scheint leider auch gewillt, dies in den kommenden Jahren so beizubehalten. Auch von der Erschließung eigener Gasvorkommen möchte er aus selbigen Gründen nichts wissen – lieber kauft er amerikanisches Fracking-Gas ein, welches durch den notwendigen Energieaufwand zur Verflüssigung in besonderer Weise klimaschädlich ist. Lassen wir all diese Widersprüchlichkeiten beiseite, bleibt die Frage:
Was bedeutet diese Strategie der Beschaffungspolitik für Deutschland?
Dies wollen wir uns im Folgenden näher anschauen.
Eine lesenswerte Analyse der NZZ liefert Einblicke, warum Investoren nicht in süddeutsche Standorte investieren:
Nach der NZZ-Auswertung stehen 83% der gut ausgelasteten Windräder im äußersten Norden. Da die Ausbeute von Windkraftanlagen von der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit abhängt, nimmt die Profitabilität drastisch ab, wenn man Windkraftanlagen im windschwachen Süden baut. Für letztere gibt die NZZ einige drastische Beispiele: So wurde beim Windpark Nordschwarzwald, der sich auf 900 Meter Höhe befindet, eine mittlere Auslastung von 30% von den Projektentwicklern versprochen. Die tatsächliche Zahl bewegt sich zwischen 16 und 21% – eine deutliche Warnung an unbedarfte Privatleute, die eine Investition in solche Anlagen in Erwägung ziehen. Im größten Waldwindpark Bayerns, Reichertshüll, wurden 2017 insgesamt 11 moderne WKA errichtet, aber auch hier liegt die „reale Auslastung“ unter 20%.Es ist somit nicht verwunderlich, dass aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein Projektierer tendenziell stets einen Standort möglichst hoch im deutschen Norden präferieren wird. Dies stößt jedoch an seine Grenzen – neben den Problemen, die diese Verspargelung der Landschaft mit Windkraftanlagen mit sich bringt, kann die Abnahme der Strommengen nicht mehr garantiert werden. Durch den hohen Anteil, den Windkraftanlagen im Norden einnehmen, treten nun Kostentreiber wie die Abregelung von Anlagen aufgrund von drohender Netzüberlastung oder anderen teuren Redispatchmaßnahmen immer deutlicher zu Tage. Dieser Sachverhalt wurde bereits in unserem 5. Rundbrief ausführlich dargestellt.
Dies alles ist auch eine Folge der Überproduktion zur falschen Zeit und fehlender sinnvoller Verwertungsangebote. Hinzu kommt dann, dass die versprochenen Nord-Süd-Trassen, insbesondere die für Ende 2022 angekündigte Stromtrasse „Süd-Link“ in weiter Ferne ist. Dadurch kommt Deutschland in die paradoxe Situation, dass mit dem weiteren Ausbau der Windkraft eine doppelte Kostenfalle zuschnappt – einerseits steigen die Kosten des Netzeingriffsmanagements, insbes. der Abregelung von Windanlagen durch Überproduktion im Norden an, andererseits entstehen im Süden Strommangelzustände, die ebenfalls wieder durch teure Zuschaltung von Reservestrom zu beseitigen ist. Dies alles wäre aber in dieser Form nicht notwendig gewesen, würden die Kernkraftwerke Philippsburg, Isar oder Gundremmingen weiter produzieren und verlässlich Strom für den deutschen Süden bereitstellen. Stattdessen musste der Versorger TransnetBW am 15. Januar seine Kunden zum zweiten Mal in diesem Winter aufrufen, den Verbrauch zu reduzieren (Link dazu).
Wie reagiert die Ampelregierung auf dieses Problem?
Einerseits übt sie Druck auf die südlichen Bundesländer, vor allem auf Bayern aus, den Windkraftausbau zu forcieren, wobei mit Druck allein kein ökonomisches Problem gelöst wird, auf der anderen Seite hat Wirtschaftsminister Habeck in der Ampelkoalition durchgesetzt, dass die garantierten Mindestvergütungen für die EE-Betreiber in zukünftigen Auktionsverfahren um 25% angehoben werden können, was kürzlich auch genau so passierte – eine Maßnahme, die in etwa so sinnig ist, als wenn in Nordskandinavien der Anbau von Ananas durch hohe Mindeststückpreise subventioniert würde. Darüber hinaus möchte Minister Habeck EE-Projektierer in den Genuss staatlicher Garantien kommen lassen. Der hier verlinkte Artikel widmet sich dem Thema.
Man staunt über all dies nicht schlecht – anstatt dass wir nun nach über 20 Jahren EEG die Förderung von Erneuerbaren Energien einstellen könnten, wie dies immer im Vertrauen auf den technologischen Fortschritt der Anlagen versprochen wurde, marschieren wir ins Gegenteil, nämlich die Subventionierung zu erhöhen – ein deutliches Indiz, dass wir im Irrtum verharren.Von Seiten der EE-Befürworter wird an dieser Stelle gerne das Argument eingebracht, dass doch die derzeit hohen Strompreise dazu führen, dass auch Anlagen an windschwachen Anlagen profitabel werden, wenn auch nicht so profitabel wie im hohen Norden. Dieses Argument schauen wir uns etwas genauer an und betrachten zuerst die Studie „Stromgestehungskosten Erneuerbarer Energien“ des Fraunhofer Instituts für solare Energiesysteme ISE aus 2021:
Abbildung 2 zeigt auf der Basis der Daten von 2021, wie stark die Stromgestehungskosten von Windkraftanlagen von der Standortqualität abhängen. Gute küstennahe Standorte können hiernach Werte von bis zu 4 ct/kWh erreichen, während Inlandsstandorte 7 – 8 ct/kWh aufweisen – für einen Investor ein großer Unterschied, der das geringe Interesse an süddeutschen Standorten in der letzten Ausschreibung erklärt.
Hinzu kommt, dass seit 2021 die Rohstoffpreise stark gestiegen sind und dies trifft gerade die Windkraftindustrie hart. Warum, zeigt Abbildung 3:
Bezieht man den Rohstoffeinsatz von Windkraft- oder auch Solaranlagen auf die produzierte Anzahl kWh in ihrer Lebensdauer, so beträgt der Einsatz kritischer Rohstoffe bei diesen ein Vielfaches im Vergleich zu konventionellen Erzeugungsformen. Der drastische Preisanstieg führt zu Kostensteigerungen von ca. 25% für neue Anlagen Erneuerbare Energien. Der hier verlinkte Artikel widmet sich dem Thema.
Wir müssen also statt 7- 8 ct/kWh von Gestehungskosten bis ca. 10 ct/kWh ausgehen. Dies ist für einen Investor bei einem Zeitraum von 20 -25 Jahren durchaus ein Problem, denn die von den Übertragungsnetzbetreibern veröffentlichten Monatsmarktwerte der Windkraft sind erst seit September 2021 konstant über > 10 ct/kWh, im Dezember 2022 betrugen diese 14,164 ct/kWh (siehe: Netztransparenz.de). Sollten diese wieder sinken, muss der Investor in Süddeutschland wieder auf die EEG-Förderung durch den Steuerzahler hoffen – so kommen wir offenkundig nicht aus der Dauersubventionierung heraus.
Es gibt aber noch einen weitreichenderen Effekt, den man mit dem berühmten Spruch „die Revolution frisst ihre eigenen Kinder“ charakterisieren könnte: den Kannibalisierungseffekt des Windkraftausbaus.
Darunter versteht man die Tatsache, dass mit zunehmendem Ausbau der Windkraft die Erträge der bestehenden Anlagen sinken, weil zu windstarken Zeiten der Strompreis durch das geschaffene Überangebot sinkt – bis hin zu Negativpreisen. Dies ist insbesondere für Betreiber in Schwachwindzonen ein signifikantes Problem, da sich ihre Anlagen dann zuschalten, wenn die Anlagen in Norddeutschland schon produzieren und die Strompreise schon entsprechend reduziert sind.
Dieser Effekt wird umso drastischer, je mehr Windräder in Deutschland errichtet werden und wird dazu führen, dass Investoren in Schwachwindzonen zu geringe Strompreise am Markt erzielen und daher höhere Garantiepreise einfordern werden, um den Preisauftrieb auf der Rohstoffseite sicher stemmen zu können.
So konterkarieren sich alle Versprechungen, dass Erneuerbare Energien sich irgendwann selbst tragen können – für Deutschland wird dieser Irrglaube leider drastische Konsequenzen haben. Oder – um es mit Cicero auszudrücken: Um nicht zuzugeben, dass die sog. Energiewende, die aus guten Gründen kein Land dieser Welt kopiert, ein schwerer Fehler war, verharren wir lieber im Irrtum.
Bis es zu spät sein wird.